Vision von der Auferweckung der Toten Ez 37,1-14 |
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„Ich habe keine Hoffnung mehr; die Hölle ist mein Haus, in der Finsternis breite ich mein Lager aus!“ – der Abschiedsbrief eines Selbstmörders? Nein, so klagte ein Mensch schon vor über 2000 Jahren; es ist der uns allen aus dem Sprichwort von der „Hiobsbotschaft“ bekannte alttestamentliche Fromme Ijob (17,13f.). Und heute klingt diese Klage kaum anders. Ein junger Soldat schrieb aus der Hölle Stalingrads in einem Abschiedsbrief an seine Eltern: „Gott zeigte sich nicht, wenn mein Herz nach ihm schrie …, auf der Erde war Hunger und Mord, vom Himmel kamen Bomben und Feuer, nur Gott war nicht da. Nein, Vater, es gibt keinen Gott“! Unvorstellbares haben die Soldaten in den Weltkriegen gelitten, wie der Abschiedsbrief dieses jungen Soldaten exemplarisch zeigt, und nicht weniger haben ihre Angehörigen gelitten, die allein und trostlos zurückgeblieben sind mit allen Lasten der Nachkriegszeit. Das hat bei nicht Wenigen den Glauben ins Wanken gebracht: „In Stalingrad die Frage nach Gott stellen, heißt sie verneinen“, schreibt derselbe Soldat. Und dennoch haben wir Christen Grund zur Hoffnung. Aber wo gründet diese Hoffnung, wenn sie keine flache Selbstbeschwichtigung sein soll? Sie gründet in der Zusage Gottes selbst. Diese ist uns gegeben in einer wunderbaren, ja dramatischen Erzählung des Alten Testamentes: in einer Vision des Propheten Ezechiel: Der Prophet befindet sich im Exil in Babylon. Er hat Schlimmes hinter sich, ein Stalingrad des Altertums könnte man sagen: Die Babylonier waren in Jerusalem eingefallen und hatten die Stadt sowie die ganze Provinz Judäa dem Erdboden gleich gemacht. Mit unvorstellbarer Grausamkeit haben sie gewütet, keinen Stein auf dem anderen gelassen, die Bewohner – vom Kind bis zum Greis – grausam dahingeschlachtet. Nur wenige sind entronnen, und diese hat man tausende von Kilometern zu Fuß durch die Wüste nach Babylon verschleppt, darunter auch den Propheten Ezechiel. Da saßen sie nun an den Strömen von Babel, so weit sie den Gewaltmarsch überhaupt überlebt hatten, und weinten, heißt es in einem Psalm. Sie schrieen ihre ganze Hoffnungslosigkeit hinaus: „Verdorrt sind unsere Gebeine, dahin ist unsere Hoffnung, es ist aus mit uns!“ – so schließlich in den Aufzeichnungen des Propheten Ezechiel (Ez 37,11). Da erscheint mitten in diese Depression hinein Gott dem Propheten (Ez 37). Er führt ihn im Geiste an den Rand einer riesigen Ebene. Diese lag voll mit ausgedorrten Totengebeinen. Und Gott führt Ezechiel ringsum an den Totengebeinen vorüber; dann stellt er ihm die provokante Frage: „Menschensohn, können diese Gebeine wieder lebendig werden?“ (Ez 37,3). Grotesk, eine solche Frage. Klar, toter kann kein Toter sein als diese Millionen von ausgedorrten Knochen, die Ezechiel da vor sich unter der heißen Wüstensonne dahinbleichen sieht. Entsprechend verlegen antwortet er: „Herr und Gott, das weißt nur Du!“ (V. 3). Daraufhin fordert Gott ihn auf: „Sprich als Prophet über diese Gebeine und sage zu ihnen. Ihr ausgetrockneten Gebeine, hört das Wort des Herrn! So spricht Gott, der Herr, zu diesen Gebeinen: Ich gebe euch Atem, damit ihr lebendig werdet. Ich spanne Sehnen über euch und überkleide euch mit Fleisch, ich überziehe euch mit Haut und bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin“ (V. 4-6). Ja, und was tut Ezechiel? In seiner Ratlosigkeit folgt er der Aufforderung Gottes. Und noch während er die verheißungsvollen Worte Gottes über die Totengebeine spricht, geschieht, was er ausspricht: „Da entstand ein gewaltiges Rauschen. Die Gebeine rückten zusammen, eines an das andere heran. Und als ich hinsah, da kamen Sehnen und Fleisch über sie und Haut zog sich darüber. Aber Odem/Geist war noch nicht in ihnen.“ (V. 7-8). Da fordert Gott den Propheten noch einmal auf: „Rede als Prophet zum Geist, rede, Ezechiel, und sage zum Geist: So spricht Gott der Herr, Du Geist, komme herbei von den vier Winden! Hauche diese Erschlagenen an, damit sie lebendig werden.“ Und Ezechiel tut, was Gott ihm aufgetragen hat. Da kommt Geist in die Totengebeine. „Sie wurden lebendig und standen auf – ein großes gewaltiges Heer.“ (V. 9-10). Am Ende dieser großartigen Vision von der Auferweckung der Totengebeine fasst Gott seine Botschaft an das verzweifelt Volk Israel im Exil folgendermaßen zusammen: „Jetzt sagst Du, Israel: Verdorrt sind unsere Gebeine, dahin ist unsere Hoffnung, es ist aus mit uns! … (Aber) so spricht Gott der Herr: Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf … Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk aus euren Gräbern heraufhole, dann werde ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich hauche meinen Geist in euch, dann werdet ihr lebendig“ (Ez 37,11-14*). Ja, so ist Gott. Und nicht nur Israel vor 2000 Jahren, sondern jedem von uns heute und einem jeden unserer Toten, ist diese wunderbare Zusage von Gott gegeben: Ihr werdet nicht im Tod bleiben. Ich bin ein Gott des Lebens. Ich öffne eure Gräber und hole euch heraus. Kein Grab ist für mich zu tief, kein Toter zu tot. Ich mache alles neu, ich werde euch auferwecken zum ewigen Leben. Wollen wir in jeder Situation, und sei sie noch so aussichtslos und schmerzlich, Gott ehren durch unser Vertrauen und mit Ijob sprechen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. … Nach meinem Tod werden meine Augen ihn schauen … danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust!“ |
Sakrament der Liebe Gottes – Gedanken zu Joh 6 |
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„Wer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag“ (Joh 6,54). Kaum eine Passage der Bibel war und ist so umstritten wie dieser Satz aus dem Johannesevangelium. Kein Wunder, dass er im Verlauf der Kirchengeschichte immer wieder Anlass zu Ärgernissen, Auseinandersetzungen, ja Spaltungen gab. Das Urteil reicht von der reformatorischen Auffassung, dass das Essen des Leibes Christi und das Trinken des Blutes Christi nur symbolisch zu verstehen sei, – alles andere müsse als „abgeschmackte, törichte, grausige, nur unter Menschenfressern angängige Meinung“ (Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. IV, Freiburg 1967, 257f.) abgelehnt werden – bis hin zur liebevollen Verehrung der bleibenden Gegenwart Jesu in der Eucharistie mit den wunderbaren Worten des großen Dominikanertheologen Thomas von Aquin: „Sakrament der Liebe Gottes: Leib des Herrn sei hochverehrt, Mahl, das uns mit Gott vereinigt, Brot, das unsre Seele nährt, Blut in dem uns Gott besiegelt seinen Bund, der ewig währt“ (1263/64). Und sind wir ehrlich: fällt es uns heute leicht, diese Worte Jesu zu verstehen? Schon die Menschen zur Zeit Jesu und selbst die eigenen Jünger hatten damit ihre Probleme. Das 6. Kapitel des Johannesevangeliums lässt dies klar erkennen. Schon in ihm gab es ein hartes Ringen um die Frage: Ist dieses Stück Brot wirklich der Leib Christi und der Wein wirklich das Blut Christi? Schauen wir auf den biblischen Text! Zunächst, nach der Brotvermehrung, wogt eine Welle stürmischer Begeisterung durch die Massen: Endlich ist der Messias gekommen, den man seit Jahrhunderten sehnlichst erwartet! Und die Menschen versuchen, Jesus in ihre Gewalt zu bringen, um ihn zum König zu machen (Joh 6,1-15). Sie erkennen richtig, dass Jesus der von Mose angekündigte zukünftige Prophet ist, der neue Mose, der Messias (Dtn 18,15). Doch inzwischen hatte die Messiaserwartung in Israel eine bedenkliche Akzentverschiebung erfahren; sie war politisiert worden: man erwartete den Messias als König, der von der drückenden Herrschaft der Römer befreit. Nebenbei gesagt: Eine solche Verschiebung theologischer Perspektiven ist eine Versuchung für die Menschen aller Zeiten: Man will Gott vor seinen Karren spannen; man zimmert sich sein Gottesbild so zurecht, dass es in die eigene Interessenlage passt. Doch Gott lässt sich nicht manipulieren. Deshalb entzieht sich Jesus dem Ansinnen der Juden; er ist kein politischer Messias (Joh 6,15b). Und statt gefallen zu wollen, wagt er die Provokation, ja die Konfrontation bis zum Eklat, bis zum offenen Bruch (Joh 6,22ff.). Um diese Konfrontation zu verstehen, müssen wir zuerst einmal auf die historische Situation der Gemeinde schauen, für die der Evangelist schreibt. Zwischen Christen und Juden war ein unüberwindlicher Graben entstanden. Die Juden verfolgten die Christen mit Hass und Feindschaft – bis hin zu blutigen Übergriffen (vgl. den Mord an Stephanus Apg 7). Der Grund war eine scharfe Auseinandersetzung um die Person Jesu. Nach Auffassung der johanneischen Gemeinde ist Jesus nicht irgendein Prophet in der Reihe mit vielen anderen, sondern der letzte, der endgültige, der eschatologische Prophet: der neue Mose, - der nicht nur von Gott das Gesetz erhält, um es an die Israeliten weiterzugeben, sondern der selbst das vom Himmel herabgekommene und fleischgewordene Wort Gottes ist (Joh 1,1.14), - der mit dem Vater im Himmel eins war und ist (Präexistenz, Gottessohnschaft), - der nicht nur wie Mose von Gott das Manna erbittet, um den irdischen Hunger des Volkes in der Wüste zu stillen, sondern der selbst das wahre und lebendige Brot ist, das vom Himmel herabgekommen ist, um den geistigen Hunger aller Menschen in der Wüste dieser Weltzeit zu stillen (Joh 6,26-35), - der nicht nur ein Brot (Manna) schenkt, das wieder hungrig macht und die Menschen am Ende doch sterben lässt, sondern der sich selbst als Brot hingibt, das den Hunger für immer stillt und das ewige Leben schenkt (Joh 6,48-59). Natürlich wurde dieser Anspruch Jesu von den Juden als Anmaßung begriffen, als Blasphemie, als Angriff auf den ihnen über alles werten Monotheismus, den Glauben an den einen Gott. Und dies wiederum löste eine tiefe Feindschaft aus. So kommt es zu regelrechten lehramtlichen Verfahren gegen die Christen und schließlich zu einem offiziellen Ausschluss eines jeden aus der jüdischen Gemeinde, der an dem Bekenntnis zu Jesus Christus festhält (Exkommunikation). Das ist die Situation der christlichen Gemeinde zur Zeit der Abfassung des Johannesevangeliums. Das Band zwischen Christen und Juden ist endgültig zerrissen. Die Gemeinde steht isoliert da, auf sich selbst zurückgeworfen, verunsichert und ängstlich. Hinzu kommt, dass sich auch im Innern der Gemeinde mehr und mehr Uneinigkeit und Spaltung breit machen. Denn ein Großteil der christlichen Gemeinde stammte aus dem Judentum. Die jüdischen Glaubensbrüder aber, die nicht Christen geworden waren und die nach der Zerstörung Jerusalems 70. n. Chr. auf der Flucht aus Palästina in die Region der johanneischen Gemeinden nach Kleinasien kamen, verunsicherten die judenchristlichen Gemeindemitglieder und bewirkten schließlich ein schmerzliches Schisma: ein Teil der Judenchristen distanzierte sich wieder von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, und kehrte zwar nicht ins Judentum zurück, bildete aber eine eigene schismatische Gruppe. Ihre Lehre: Jesus ist ein großer Prophet, der Messias der Endzeit. Aber er ist nicht Gottes Sohn. In dieser Situation will der Autor des Johannesevangeliums seiner angefochtenen Gemeinde zu Hilfe kommen, ihr Orientierung und Sicherheit geben und sie im Glauben bestärken, indem er ihre Schwierigkeiten in Kap. 6 des Johannesevangeliums in der Auseinandersetzung Jesu mit den Juden wie in einem Spiegelbild zur Sprache bringt (Joh 6,60-66). Im Hintergrund steht unverkennbar die liturgische Praxis der Gemeinde, die Feier der Eucharistie. Der Evangelist will seine Gläubigen ermutigen: Lasst euch nicht beirren. Haltet fest an dem, was Jesus euch im Abendmahlssaal bei der Einsetzung der Eucharistie geschenkt hat. Wenn ihr in der Eucharistiefeier das Brot esst und den Wein trinkt, die dort auf Geheiß Jesu in seinen Leib und sein Blut verwandelt werden, dann esst ihr wirklich sein Fleisch und trinkt wirklich sein Blut, das hingegeben wurde für das Leben der Welt. Am Ende können wir uns die Frage stellen: Wie reagiert Jesus auf die Schwierigkeit der Menschen – auf unsere Schwierigkeit – zu glauben, dass die eucharistischen Gaben von Brot und Wein sein Leib und sein Blut sind? 1. Jesus steht klar und deutlich zur Sache; er unternimmt nicht den Versuch, das Ärgernis dem menschlichen Verstand anzupassen: „Was er sagt ist unerträglich, wer kann das anhören?“ (V. 60). 2. Jesus warnt vor dem Schisma: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch" (V. 53). Ablehnung der Eucharistie heißt Trennung von Christus und seiner Kirche. Es gibt kein Christsein ohne Eucharistie. 3. Deshalb fordert er eine klare und ungeteilte Entscheidung für ihn und sagt zugleich, dass diese Entscheidung ein „Hören auf den Vater“ ist, d. h. schlichter Gehorsam gegenüber Gott: „Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist“ (V. 65). 4. Dennoch übt Jesus keinen Zwang aus. Er weiß um unsere Schwierigkeiten mit dem Glauben, er weiß um jenes „Ärgernis“ der Eucharistie – auch mitten in der Kirche. Aber er erspart uns auch die Frage nicht: „Wollt auch ihr gehen?“ (V. 67), „oder glaubt ihr an mich, an meine reale Gegenwart unter den Gestalten von Brot und Wein? Glaubt ihr, dass ich das Brot vom Himmel bin, das der Vater euch schenkt und in dem ihr das ewige Leben habt?“ Und er fordert uns zur Antwort heraus, einer Antwort, von der alles für uns abhängt: Christ sein oder nicht Christ sein. |