Frohe und gesegnte Weihnachten

Liebe Freunde des Klosters Wettenhausen, liebe Interessierte an unseren Veranstaltungen,

das Weihnachtsfest ist vorüber, aber das Mysterium der Menschwerdung Gottes in unsere Welt hinein bleibt immer präsent. Deshalb möchte ich Ihnen auch jetzt noch nachträglich von Herzen die Gnade dieses wunderbaren Geschehens wünschen: Möge Gott in Ihrem Herzen geboren werden und dort sein Licht und seine Freude ausstrahlen.

Ich habe in diesen Tagen eine Weihnachtskarte erhalten, die mich sehr berührt hat, und möchte sie mit Ihnen teilen:

Was wir auf dem Bild von Lorenzo Lotto um 1534 sehen ist nur äußerlich das anmutige Spiel eines Kindes mit einem Schäfchen. In Wirklichkeit haben die Künstler des Mittelalters und der frühen Neuzeit mit solchen Darstellungen tiefe theologische Zusammenhänge zum Ausdruck gebracht. Ich will nur eine von ihnen nennen, die sich mir spontan aufdrängte, als ich das Bild betrachtete: Gott ist Mensch geworden, in Jesus Christus, in einem kleinen Kind, um, wie er schon durch den Propheten Ezechiel voraussagen ließ, seine verlorengegangenen Schafe selber zu suchen (vgl Ez 34,11). Die damaligen Hirten, von denen Ezechiel spricht, waren die Könige und religiösen Führer des Volkes Israel. Sie hatten ihre Hirtensorge nicht wahrgenommen. Sie hatten zugelassen, dass das Gottesvolk seine religiöse Orientierung verlor, dass es sich auf der Suche nach geistlicher Nahrung in den Höhen und Tiefen falscher Heilsangebote verirrte, dass es auseinanderfiel und sich zerstreute und schließlich die Beute wilder Tiere, d.h. Opfer des Machtstrebens der damaligen Großmächte des Orients, wurde. Doch Gott hatte Mitleid mit diesen orientierungslosen und ausgelieferten Menschen und versprach: Ich werde selber kommen, um meine Schafe zu suchen und sie herauszuführen aus allen finsteren Orten, wohin sie sich zerstreut haben. Ich werde selber kommen, um sie wieder zusammenführen und auf eine gute Weide zu bringen. Ich werde selber ihr Hirt sein. „Die verlorengegangenen Tiere will ich suchen, die Vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen, die fetten und starken behüten. Ich will ihr Hirt sein und für sie sorgen, wie es recht ist“ (Ez 34,16).

 

Als Gott in Jesus Christus Mensch wurde, hat er genau das wahr gemacht: Er hat einem jeden einzelnen von uns – denn wir gehören alle seit der Taufe zu seiner Herde – seine ganze Zuneigung und Liebe geschenkt. Er wird uns aus all unseren dunklen Verstrickungen und Bindungen herausholen, er wird unsere Wunden durch seine Liebe und Zuneigung heilen und er wird uns die Nahrung geben, die uns wirklich kräftigt. Wir werden nicht mehr länger herumirren auf der Suche nach einem irrlichternden Glück, sondern geborgene Glieder seiner Herde sein. Ist das nicht ein wunderbares Geschenk, das Gott uns an Weihnachten macht? Ergreifen wir dieses Geschenk und sind wir ihm dankbar, dass er uns in seine Herde, die Kirche, hineingeführt hat. Die Karte mit dem spielenden Jesuskind möge Sie immer an diese große Liebe Gottes erinnern, für die Gott so viel auf sich genommen hat: die Erniedrigung des allmächtigen Gottes, der im Licht wohnt, in die Schwachheit des Menschseins hinein, das in Finsternis und Todesschatten liegt und dort zugrunde gehen würde, wenn Gott nicht Mensch geworden wäre.

 

Liebe Grüße und Segenswünsche von den Schwestern von Wettenhausen,

 

Sr. Theresia Mende OP